Manchmal habe ich die Kamera umsonst eingepackt. Das Model erschien einfach nicht. |
Enttäuschungen bleiben nicht aus Teil I
Hochmotiviert, gespannt und voller freudiger Erwartungen packst Du Fototechnik, Requisiten und was Du sonst alles noch so für einen Shootingtermin brauchst zusammen, schleppst es in Dein Auto und machst Dich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Es soll heute ein Outdoorshooting zum Thema „Lost Places“ werden. Das Model heißt Annika, verabredet seid ihr um 15:30 Uhr am Bahnhofhauptausgang. Du willst sie abholen, denn Deine Location findet keiner ohne weiteres von allein. Drei Nachmittage bist Du durch Industriebrachen Deiner Nachbarstadt gefahren und gelaufen um den besten Ort für das Shooting zu entdecken.
Spannung steigt
Du schaust auf die Uhr: 15:25 Uhr. Deine Spannung steigt. Nur noch fünf Minuten und Du lernst sie zum ersten Mal persönlich kennen. Telefoniert und getextet habt ihr beide ja im Vorfeld des Termins. Gerade heute früh schrieb Annika noch, dass sie schon ganz aufgeregt sei und es gar nicht abwarten könne.
Haare wie Schneewittchen
15:30 Uhr. Der Zug aus dem Norden ist schon angekommen, eine Menge Leute drängeln sich durch den Ausgang. Annika hat schwarze lange Haare. Sieht so ein bisschen aus wie ein modernes Schneewittchen. Das magst Du. Deshalb ist sie Dir beim Surfen durch die sozialen Netzwerke ja auch sofort aufgefallen. Prompt hattest Du sie angeschrieben, nach einem Termin für ein TfP-Shooting gefragt und ihr beide seid Euch schnell handelseinig geworden. Noch am gleichen Tag hattest Du den Vertrag per E-Mail an sie geschickt. Ihre Antwort kam auch rasch: Er sei angekommen, völlig O.K. und sie bringe ihn zum Shootingtermin unterschrieben für Dich mit.
Verspätung?
15:40 Uhr: Wer misstraut schon einem Schneewittchen? Du nicht. „Sicherlich war das der falsche Zug und ihrer hat Verspätung“, denkst Du. Du steckst Dir noch eine Zigarette an und wartest weiter. Dabei hast Du immer einen prüfenden Blick auf Dein Auto. Schließlich ist es vollgestopft mit allem was Du so hast. Wenn das weg käme – unvorstellbar.
Kein Model da
15:50 Uhr: Deine Laune sinkt erheblich. Model noch nicht da. Du greifst zum Smartphone und rufst Annika an. Es klingelt. „Mist! Anrufbeantworter“, zischst Du zwischen Deinen Zähnen heraus. „Wo bleibst Du? Ich stehe hier am Hauptausgang und warte beinahe eine halbe Stunde. Bitte melde Dich!“ Zur Sicherheit schickst Du noch eine Textnachricht hinterher.
Orangefilter eingepackt
16:00 Uhr. Deine Augen schweifen zwischen Bahnhofsausgang, Smartphonedisplay und Himmel unruhig hin und her. Die Wolken werden dichter und dunkler. Orangefilter hast Du ja dabei. Es kommen wieder haufenweise Menschen aus dem Bahnhof. Keine der Frauen hat schwarze Haare und sieht aus wie Annika.
Suche nach anderem Model
17:00 Uhr, in Deiner Wohnung. Deine Requisiten sind gut verstaut. Die beiden Kamerakoffer stehen wieder im Regal, das ganze restliche Gepäck ist auch an seinem angestammten Platz. Annika hat sich immer noch nicht gemeldet. Du surfst wieder durch soziale Netzwerke und suchst nach einem anderen Model das auch ein klein wenig nach Schneewittchen aussieht… Ob dieses Model überhaupt kommt und vielleicht sogar pünktlich ist, Du wirst es erleben.
Viele sind unzuverlässig
Tatsächlich beklagen viele Fotografen mangelnde Verlässlichkeit seitens der Models. Im Beispiel oben besteht der Fehler darin, dass der Vertrag dem Fotografen überhaupt noch nicht vorlag. Ohne unterschriebenen Vertrag vorab kein Fotoshooting! Auch keine Anfahrt zu einer Verabredung dazu. Diese Regel solltest Du Dir merken. Selbstverständlich kannst Du es ja auch einmal mit bezahlten Models, also mit Pay-Verträgen, versuchen. Geld brauchen schließlich alle. Und ein paar Scheinchen steigern sicherlich auch die Motivation der Models zum Shooting zu erscheinen.
Models mieten Hotelzimmer
Eine völlig andere Version auf Gagenbasis existiert auch: Es gibt Models, die sich in allen Himmelsrichtungen des Landes coole Locations wie z.B. Hotelzimmer oder Ferienhäuser anmieten und dies in Fotogruppen mitteilen. Gegen Gage bekommst Du Deine Fotostunden, musst allerdings auch etwas weiter fahren, als zum Industriepark in Deiner Heimatstadt. Wenn Du den ganzen Trouble und die verplemperte Zeit einschließlich Locationsuche zusammenrechnest, dann erscheint es mir preiswerter mit einem dieser Profimodels zu shooten. Überleg es Dir gut!
Model mochte sich nicht
Einen noch „dickeren Hund“ hab ich vor einigen Monaten erlebt: Vertrag lag noch nicht vor, Model war pünktlich, ich war pünktlich, Shooting lief bilderbuchmäßig. Danach saßen wir beide gemütlich bei einer Tasse Kaffee und schauten uns die Fotos an. Wir beide kommentierten, suchten aus, löschten einige und entschieden uns gemeinsam für die zu veröffentlichten Bilder. Ich sagte den Versand via E-Mail zu. Das tat ich dann auch und schickte den Vertrag gleich mit. Es handelte sich um einen Pay-Vertrag! 36 Stunden vergingen bis ich wieder etwas von der Dame hörte. Per Textnachricht erfuhr ich Folgendes: „Hallo Michael! Vielen Dank für die vielen Fotos. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich sie mir kritisch angesehen habe und mich leider auf vielen nicht leiden mag. Das hat aber nichts mit Deinem Können zu tun, sondern nur mit mir. Ich habe zurzeit eine Krise mit starker Abneigung gegen mich. Ich lasse seit Monaten kein gutes Haar an mir… Den Vertrag habe ich noch nicht gelesen.“ Ich schloss die Textnachricht, kam zurück auf meine Kontakte und machte erschreckenderweise eine interessante Entdeckung: Dieses Model hatte ein neues Profilbild. Ich kannte das Motiv sehr genau: Es war mein Foto! Soviel zum Thema „Ich mag mich nicht leiden.“
Anderes Profilbild
Nur so an Rande bemerkt: Die Fotos waren prima, das Model sah gut aus und konnte posen. Für mich war ein Nachmittag vertan. Was bis heute geblieben ist, ist ein ganz großes Fragezeichen über meinem Haupt. Ach ja: Das Model hatte innerhalb von Minuten ein anderes Profilbild.
Negatives ausblenden
Model- und Porträtfotografen arbeiten gerne mit Menschen. Das heißt auch: Negatives besser gleich ausblenden und keinesfalls auf andere übertragen. Denn das wäre echt unfair.
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