Montag, 28. Februar 2022

Posing für Porträts 4: Akt oder Fashion?

 
Model Melanie an einem Lost Place
Model Melanie, fotografiert an einem Lost Place.

Akt, NIP oder Fashion: 

Welcher Bereich passt zu Dir?

Für Model- und Porträtfotografie existieren viele Möglichkeiten und Bereiche. Bevor Du Dich möglicherweise für eine Spezialisierung entscheiden kannst, musst Du die unterschiedlichen Facetten kennen. Vorweg kann ich von mir berichten, dass ich mir nach dem Umschwenken vom Fotojournalismus auf die Model- und Porträtfotografie dachte „Ganzkörperfotos“ in tollen Posen wäre genau mein Ding. Nachdem ich einige Schritte in diese Richtung unternommen hatte, war völlig klar, dass dem nicht so ist. Schon bei den Shootings spürte ich nicht diese Begeisterung, die ich von der Sportfotografie kannte. Mir fehlte irgendetwas. Dieses Etwas bekam ich wieder bei den ersten Porträtfotos. Ich kann Dir gar nicht oft genug erzählen wie froh ich darüber war. Seit dem weiß ich ganz genau, was zu mir passt und was nicht.

Damit Du einen schnellen Überblick erhältst, fasse ich nachfolgend die verschiedenen Bereiche einmal kurz und knapp von A-Z zusammen:

Akt: Nackte Menschen mit ihren Körperformen bestens ins Licht setzen: Das ist Aktfotografie. Akte gibt es in allen Einstellungen – vom Halbakt mit Oberkörper frei (wird gerne bei Porträts von Männern eingesetzt) bis zum liegenden Ganzkörperaktfoto auf dem Tierfell vor dem Kamin. Was möglich und machbar im Sinne von vorzeigbar ist, entscheidet die Kreativität des Lichtbildners und auch des Models. Eine schöne Wirkung zeigen Aktfotos auch in schwarz-weiß.

Beauty: Schön sein, das will jedes Model. Hier ist der Bereich, der bei Dir entweder die Bekanntschaft zu einem guten Makeup-Artist oder eigene Schminkkenntnisse voraussetzt. Die Einstellung der meisten Beauty-Porträts ist nah. Die wichtigste Rolle spielt das Gesicht, mit im Ausschnitt Hals und Schulterpartie. Bei 45 MP Fotoauflösung siehst Du auf dem Foto alles, kein Makel bleibt außen vor. Willst Du Spitzenfotos abliefern, brauchst Du beste Bildbearbeitungskenntnisse in PS. Besser noch Du spezialisierst Dich auf Digital Makeup. Damit wirst Du jedem Auftrag gerecht. Das ist übrigens auch mein Weg. Oft fragen mich die Models wie sie sich zum Shooting schminken sollen. Meine Antwort lautet meistens „dezent, den Rest mache ich schon“. Übrigens: Bisher hat sich über die Ergebnisse noch kein Model beklagt.

Bewerbungsfotos: Das sind die Brot- und Butterfotos für viele Fotografen mit Studio resp. öffentlich zugänglichem Geschäft. Hintergrund steht wie immer, Beleuchtung auch, Anweisung „linke Schulter vor“ und Schuss. Das Ganze vielleicht vier Mal zum Aussuchen und fertig ist das Bewerbungsfoto. Na ja, ganz so einfach ist das nicht, denn Bewerbungsfotos sollen ja bestimmte Kriterien erfüllen. Das allerdings kriegt der Fotograf nur mit konkreten Anweisungen an das Motiv/den Menschen hin. Beispielsweise sollen Bewerbungsfotos ja Sympathie ausstrahlen. Folglich liegt es am Geschick und dem Interaktionstalent des Fotografen, das „Model“ ein bisschen herauszufordern, damit nachher das Foto auch seinen Zweck erfüllt. Eine kleine Randnotiz kann ich mir hier nicht verkneifen: Mehr als 20 Jahre war ich u.a. als Bewerbungstrainer im Einsatz und habe dadurch hunderte von Bewerbungsfotos gesehen. Es war alles dabei: Teure (80€), die rein gar nichts taugten und ganz billige, die einfach Klasse waren. Meistens bekam ich nichtssagende Fotos vorgelegt. Schade eigentlich, denn es ist nicht wirklich schwer ein gutes Bewerbungsfoto zu schießen. Für meinen Sohn übernehme ich heute noch diesen Dienst. 

Biometrische Fotos:
Sorry, aber auch das sind Porträts. Auch wenn jeder, oder besser gesagt fast jeder auf diesen Bildern wie auf einem Fahndungsplakat aussieht. Die Anforderungen werden auf jedem Amt per Aushang neben dem Fotoautomat erläutert. Für Fotografen mit Studio ein Brot- und Butterjob wie Bewerbungsfotos.

Bodypainting: Wenn Du einen guten Maler kennst, der auch Körper und Gesicht interessant bemalen kann, dann findest Du in diesem Bereich eine Möglichkeit. Der Fantasie sind hier wahrlich keine Grenzen gesetzt: Von der Tigerfellbemalung bis zu rankenden Pflanzen oder technischen (außerirdischen) Motive ist hier alles möglich. Dieses Thema kann interessant sein – aus meiner Sicht muss allerdings der Gesamtzusammenhang des Fotos/Fotomotivs stimmen. Reiner Selbstzweck ist sicherlich zu wenig. Beim Facepainting verhält es sich etwas anders.
 
Dessous: „Dein Straps am Strumpf ist Wahnsinn“ hat früher Nina Hagen gesungen und es bestimmt auch so gemeint. Der Bereich Dessous unterscheidet sich vom Erotikbereich durch den Einsatz von spezieller Bekleidung. Die Übergänge zur Erotik sind fließend und meistens auch so beabsichtigt. Für Dich ist es sehr wichtig zu wissen, dass nicht alle Models, die auf Deine Dessous-Shootinganfrage anspringen auch zu Erotik-Shootings bereit sind. Als Hintergründe für Dessous-Shootings kommen verölte Werkstattgaragen ebenso in Frage wie Hotel- oder Schlafzimmer. Auch hier sind wie überall Fantasie und Kreativität gefragt.

Erotik: Fotos aus diesem Bereich wollen und sollen „anmachen“, anzüglich sein und Fleisch zeigen. Doch Vorsicht Erotik heißt nicht gleich auch Porno. Erotisch kann auch ein Porträt einer luftig aber bedeckt bekleideten Dame in einer Blumenwiese sein, die herausfordernd in die Kamera schaut. Überhaupt entscheidet die Mimik des Models über die Zuordnung zur Akt- oder Erotikfotografie. Bei normalen Porträtsessions wirst Du, wenn Du Deine Sache richtig gut machst, so oft hinter die Alltagsfassade Deines Models geraten, dass bestimmt das eine oder andere erotische Motiv dabei sein wird. Lasse bitte über die Veröffentlichung dieser Bilder Dein Model entscheiden. Vielleicht hat sie/er ja etwas dagegen, denn solche Fotos waren u.U. ja nicht beabsichtigt.

Facepainting: Hier wird nur das Gesicht bemalt. Wichtig ist dabei die Verwendung von nicht gesundheitsbelastenden Farben. Die Firma Kryolan hilft hier gerne weiter. Beim Facepainting bist Du auf einen professionellen „Painter“ angewiesen, der vielleicht nach Deinen Vorgaben das Gesicht Deines Modells anmalt. Das es hier nur um das Gesicht geht, ist der Bildausschnitt anders als beim Bodypainting. Hast Du beispielsweise ein Kind als Raubtier (Löwe/Tiger) bemalen lassen, dann reicht Dir als Hintergrund entweder eine Afrika-Fototapete oder einfach ein hübscher Busch mit vielen saftig-grünen Blättern. Und den findest Du bestimmt gleich hinter dem Haus. Siehst Du: So einfach kann Porträtfotografie sein.

Fashion: siehe Mode.

Fetish: Gefesselt, nackt oder in Lack und Leder, mit oder ohne Domina oder einfach nur Fußfotos mit stylishen Schuhen: erlaubt ist hier was gefällt und nicht gegen GEsetze verstößt. Dieser Bereich ist für die meisten Fotografen ein weißer Fleck auf der Landkarte. Er bietet aber Möglichkeiten sich von anderen zu unterscheiden.

Gothic: Das Spektrum dieses Bereichs reicht von Mittelalterkostümierungen bis hin zu knallengen Latex- und Lederklamotten. Als Fotograf wirst Du spüren ob Dir Samt oder Gummi besser liegt. Erwähnenswert ist, dass bei Gothicfotografie traumhafte Modelmaße keine Rolle (mehr) spielen. Charaktermodels finden hier ihre Spielwiese. Vielleicht willst Du ja mitspielen?

Haute Couture:
Maßgeschneiderte Schöpfungen der großen Modehäuser der Welt bezeichnet man als Haute Couture. Diese Kreationen zu fotografieren ist lediglich wenigen Fotografen vorbehalten. Wenn Du hier angelangt bist, dann kannst Du sagen „Mutti, ich hab´ es geschafft!“

High Fashion: Ähnlich Haute Couture. Hier handelt es sich um Mode, die weiter verbreitet, aber immer noch sehr exklusiv ist. Die Wahrscheinlichkeit als Fotograf in diesem Bereich zum Einsatz zu kommen, ist etwas höher als bei Haute Couture.

Historisches: Mit viel Kostüm und Background geschichtliche Themen mittels Fotografie aufgreifen ist Sinn dieses Bereichs. Bekannt sind Burlesque- und auch Pin-up-Fotos. Gerne bearbeitet werden auch die 50er Jahre mit Bekleidung, Motorrollern und passenden Frisuren. Als Fotograf findest Du Dein Model nicht auf der Straße. In sozialen Netzwerken wird Du bei entsprechenden Gruppen aber fündig.

Körperlandschaften: Aktfotografie ganz nah beschreibt diesen Bereich am Besten. Die Schönheit der Körperlinien oder auch nur von Teilen des Körpers darzustellen ist Thema dieses Bereichs. Beliebt auch bei Schwangerschaftsfotografie.
 
Lifestyle/Street:
Fotos scheinbar völlig uninszeniert und wie aus dem Leben gegriffen dominieren hier bei der Lifestyle- und Streetfotografie. Viele Models, so meine Erfahrungen, finden dies langweilig und wollen lieber „nackt auf dem Friedhof“ fotografiert werden. Das habe ich ehrlich schon einmal so als Feedback erhalten. Hier finde ich mich mit meinen Arbeiten wieder und bestens zu Hause.

Mode: siehe Fashion.

Nude in Public: Nackt in der Öffentlichkeit: Das muss sich das Model trauen. Und der Fotograf auch, denn es drohen möglicherweise juristische Konsequenzen. In der freien Natur gibt es diese Probleme eher nicht.

Trash: Schmutzig und gerne auch blutig sollen die Trashfotos sein. Nicht jedermanns Sache, aber immerhin möglicherweise ein Quell der Freude für die Betrachter. Nicht jedes Model spielt hier mit.

Die Übergänge von einem Bereich in den anderen sind fließend. Manche Fotos sind auch gleich mehreren Bereich zuzuordnen.



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