Warum manche Fotos gefallen
und andere nicht
Foto 1: Aussichtspunkt mit Fernrohr in Wiesbaden. |
Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage "Warum gefallen manche Fotos und andere nicht?" habe ich einige Motive ausgesucht, die ich vor einigen Jahren aufgenommen habe. Die Gründe dafür liste ich hier nacheinander auf und komme so der Antwort, meiner, das kann ich bereits vorweg nehmen, ganz persönlichen Antwort, auf die Schliche.
Geheimnis bewahrt
Foto Nummer 1 zeigt eine Aufnahme von einem Aussichtspunkt auf die Stadt Wiesbaden. Zu sehen ist ein Fernrohr, das mir gegen Geld einen detaillierten Blick verspricht. Die Häuser und Kirche sind out of Focus, einfach nur umscharf. Ohne nähere Gründe wurden die Einstellungen damals so gewählt. Heute muss ich darüber schmunzeln, weil ich so das Geheimnis des Fernrohres bewahrt und nicht verraten habe. Leicht hätte ich eine Panoramaaufnahme der hessischen Landeshauptstadt schießen können. Dafür lag damals scheinbar keine Motivation da.
Unschärfe wirkt
Die Unschärfe berührt mich bei diesem Bild am meisten. Warum? Antwort: Für mich gibt es im Leben vieles, was sich noch nicht klar abzeichnet. Die Unschärfe lässt mir Raum zur Interpretation. Oder besser zur Spekulation. Beim Fotografieren wählt man nicht nur den Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Vielmehr entscheidet jeder Fotograf auch durch Weglassen und Nichtzeigen. Für mich ist Foto Nummer 1 ein Foto mit Sinn.
Foto 2: Hafenkran, der früher Waren auf der Lübecker Aktstadtinsel verladen hat. |
Dass das Unterbewusstsein mich zum Auslösen drängen kann, erkannte ich bei Foto 2, dem historischen Hafenkran vor den Hafenschuppen auf der Lübecker Altstadtinsel. Beim Fotografieren befand ich mich auf einem Gebäude gegenüber und war froh endlich mal ein persektivisch unverzerrtes Bild vom Kran zu machen. Begeistert habe ich mich schon vorher, aber die Fotos gerieten eher zu expressionistischen Aufnahmen der Freien Kunst.
Erinnerung an Metallbaukasten
Nun, auf der Suche nach Fotos für diesen Blogeintrag stieß ich auf dieses Bild. Mir fiel sofort eine Analogie zu meiner Biografie auf, die mich zum Fotografieren gebracht hat. Spontan fielen mir meine Bauaktionen mit Metallbaukästen in der späten Kindheit ein. Damals hatte ich besonders gerne Roboter mit vier Beinen gebaut. Der Hafenkran ist sogar auf Schienen mobil. Darauf bin ich damals, vor 50 Jahren, nicht gekommen. Erinnerungen lassen mich das Foto positiv bewerten. Obwohl es von seinem Äußeren nicht viel hergibt und eigentlich keine besonders tolle Aufnahme ist: Für mich ist es die Erinnerung an die Kinderzeit. Die gibt für mich dem Foto einen Sinn. Mir gefällt es.
Foto 3: Russisch-orthodoxe Kirche in Wiesbaden. |
Sehr wahrscheinlich spielt der Abstand zwischen Aufnahmedatum und erneuter Rezeption auf der Suche nach dem Sinn eines Fotos eine bedeutende Rolle. Foto 3 zeigt eine russisch-orthodoxe Kirche auf dem Neroberg in Wiesbaden. Bei der Aufnahme gefiel mir das Gebäude mit seinen Säulenportalen und Zwiebeltürmen. Damals war die goldene Farbe der Türme für mich ohne weiteren Belang.
Leuchten der Goldene Türme
Heute, drei Jahre später, war das Leuchten der Goldtürme erheblicher Anlass zur Interpretation. Als Schüler besuchte ich die Sonntagsschule, mochte den Konfirmantenunterricht und verlor erst als Volljähriger den näheren Kontakt zur Kirche. Allerdings ist mir der Glauben geblieben. Die protestantische Erziehung prägte mich anscheinend erheblich.
Kontaktsuche zu Gott
Als ich das Foto heute wieder sah, fuhr mir ein leichter Schauer den Rücken herunter. Für mich waren die leuchtenden Türme ein Licht, ein Zeichen, das nach oben in den Himmel abstrahlt und den Kontakt zu Gott sucht. Das jedenfalls war mein erster Eindruck nachdem ich das Foto wieder in Augenschein nahm. Ohne meine biografische Prägung wäre es nur ein Foto von einer Kirche mit goldenen Dächern gewesen. Mit meiner Glaubenserziehung macht Foto 3 Sinn. Für mich jedenfalls.
Foto 4: Model Tatjana am Lübecker Burgtor. |
Bereits beim Auslösen spürte ich die scheinbar maßlose Traurigkeit, die das Model auf diesem Foto zum Ausdruck bringt. Aus meiner Sicht sendet dieses Bild ein Signal an die archetypischen Wirkungszusammenhänge, die jedem Menschen inne sind.
Niemand ist gerne allein
Sie scheint völlig alleine gelassen ohne Zuspruch und Unterstützung in der weiten Welt. Die unscharfen Blätter symbilisieren hier Natur und Lebenswelten, die nicht helfen. Solche Motive lassen, vermute ich, niemanden kalt. Mich jedenfalls nicht. Deshalb macht diese Aufnahme (für mich) Sinn.
Foto 5: Model Nica vor historischem Hafenschuppen in Lübeck. |
Schräge Bretter, abblätternde Farbe und wildes schwarzes Graffiti stehen in Kontrast zu den weichen Formen des Models. Dass sie sich selbst berührt und scheinbar mit den Haaren spielt steht für mich als ein Zeichen für angenehme Selbstwahrnehmung und absolute Zufriedenheit mit sich selbst.
Die Mitte gefunden
Es scheint so, als hätte das Model Nica ihre innere Mitte gefunden. Wer möchte das nicht gerne auch. Ich schon. Aus diesem Grund macht Foto 5 für mich Sinn.
Wann also machen Fotos Sinn?
Anlass und Anregung für Interpretationen, Wirkung durch persönliche Erinnerungen, Bestätigung persönlicher religiöser Einstellungen und heftige Emotionen sind bei den fünf Beispielen Sinnträger in Fotografien. Interessant allemals ist der alte Hafenkran, der eigentlich nicht die Hauptsache in der Draufsicht der Hafenschuppen darstellt. Was für ihn gilt, funktioniert auch bei zahlreichen Details, die Bestandteile möglicher Fotos sein können. Haben Sie Erinnerungen an ein Detail, dann wird Ihnen diese Aufnahme in Erinnerung bleiben.
Keine Betroffenheit erzeugt
Unzählig viele Fotos erfüllen diese Eigenschaften nicht. Sie geraten umgehend nach dem Anschauen in Vergessenheit. Beispiel: Vor einigen Jahren zeigte mir ein Bekannter ein Fotobuch seines Urlaubs. Ich war vorher sehr gespannt und neugierig auf die Bilderflut, da ich das Land noch nie bereist hatte. Schon während des Blätterns flirrten die für mich belanglosen Bilder an mir vorbei. Auch technisch konnte keines überzeugen. Ich bin mir sicher, dass ich mich schon eine Stunde später an keines mehr erinnern konnte. Nicht eines hat mich berührt. Keines hat Emotionen ausgedrückt oder eine Geschichte in eingefrorener Zeit erzählt. Nicht eine einzige Aufnahme hat bei mir positive oder negative Betroffenheit erzeugt.
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