Dienstag, 22. März 2022

Warum werden Graffitis gesprayt?

Schriftzug "Freaks"
Graffiti "Freaks", gesehen in Lübeck.

Drogenähnlicher Rauschzustand 

bei Sprayern

"Schauen Sie mal hier! Das sind meine Motive", sagte ein junger Mann, der vor Jahren als Teilnehmer bei mir am Bewerbungstraining teilnahm. Ich sah auf dem Bildschirm seiner Digitalkamera mindestens zwölf besprühte Einsenbahnwaggons, darunter sogar einige von ICEs. 

Dokumentation der Arbeit

"Die Kamera haben Sie immer dabei?", wollte ich wissen. Er bejahte mit den Worten "Muss doch alles was ich mache dokumentieren." Ich schüttelte den Kopf. Selbst ein Änfänger im Polizeidienst wäre ohne Nachdenken in der Lage diese Fotos ihm gegenüber als Beweislast zu betrachten. Kurzum: Er wäre dran!

Hotspot in Lübeck

Doch warum ist die Graffitiszene so groß, so weit verbreitet. Und das schon seit langer Zeit. Ein früherer Studienkollege von mir, Ulrich Dammer, schrieb bereits Anfang der 80er Jahre seine Magisterarbeit im Fach Germanistik über Graffitis. Und heute, in Lübeck, ist die Rückseite einiger Fabrikgebäude an der Kanaltrave sonntags ein regelrechter Hotspot für Sprayer. 

Mauern regelrecht belagert

Am letzten Sonntag radelte ich dorthin um Fotos zu machen: Es war unmöglich, denn auf einer Länge von 100 Metern war jeder Mauerfleck von den Sprayern belagert und wurde bearbeitet. Künftig fotografiere ich montags und es lohnt sich wirklich, denn die Kunstwerke von der Vorwoche werden am Sonntag buchstäblich überarbeitet. Ein Beispiel dafür sehen Sie auf dem nachfolgenden Bild. Nr. 1 ist die Urversion - Nr. 2 die Überarbeitung. Welches ist besser 1 oder 2? Schreiben Sie es gerne in die Kommentare.:

Zwei Graffitis mit dem Schriftzug "Kywis"
Zweimal Kywis: Graffitis werden auch mal aktualisiert.

Zurück zur Frage nach dem "Warum". Hier helfen Untersuchungen der Universität Potsdam weiter. Diese kamen nach Wikipedia im Ergebnis zu verschiedenen Motivationen der Sprayer:

  •    "Streben nach eigener Verbesserung, Fortschritte machen
  •     Positive Emotionen (abschalten vom Alltag, abreagieren, Stimmung verbessern,  drogenrauschähnlicher Kick beim Sprühen)
  •     Kreativität (Ideen und Vorstellungen verwirklichen, Gefühle ausdrücken)
  •     Gruppengefühl (Geborgenheit, Zusammenhalt)
  •     Ruhm (englisch: Fame)
  •     Lebenssinn
  •     Grenzerfahrungen machen (Angst, Gefahr erleben und überwinden)
  •     Selbstverwirklichung"

Graffiti eines Autos
Neue Variante eines VW?

Sprayer erlebten, so Wikipedia, einen drogenähnlichen Rauschzustand, der sonst nur bei Extremsportlern festzustellen sei. Dies gelte erstaunlicherweise sowohl für illegale als auch legale Anfertigung von Graffitis. 

Illegal mehr Stress

Illegales Malen bedeute "ein hohes Maß an psychischem und physischem Stress", so Wikipedia weiter. Dies könne an Anreiz sein auf legale Künste umzusteigen. 

Anmerkung von mir: Den drogenähnlichen Rauschzustand, der in den Untersuchungen festgestellt wurde, halte ich für ein Äquivalent zum Flow, den jeder Kunstschaffende (auch Amateure!) kennt. Im Flow vergisst man Raum und Zeit, konzentriert sich nur auf sein Schaffen und gerät danach in einen Zustand der wohligen Erschöpfung. 

Graffiti Schriftzug "Marion"
Beim Graffiti "Marion" habe ich die Farben "aufgedreht".

 Camera Raw-Filter bringts

Graffitifotos mit PS und dem Camera Raw-Filter zu bearbeiten, kann sehr attraktiv sein. Spielerischer Umgang mit Farben, Klarheit und Form sowie Belichtung ermöglichen Ergebnisse, die weit über das Original hinaus gehen. Das muss für mich wohl der Grund sein, warum ich so gerne Graffitis fotografiere.

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